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mgu Wissenschafts-Apéro am 18.11.2019

Zweck

Schon fast eine Tradition ist der Wissenschaftsapéro zum Thema «Schwarzmeergrundeln in der Schweiz», der seit 2015 jeden Herbst vom Programm Mensch-Gesellschaft-Umwelt der Universität Basel ausgerichtet wird. Die Forschungsgruppe um Professorin Patricia Holm stellt dabei den neuesten Stand der Ausbreitung der eingeschleppten Fische vor, sowie Ergebnisse aus den wissenschaftlichen Projekten des Teams. Schwarzmeergrundeln sind unter den häufigsten invasiven Fischarten in mitteleuropäischen Gewässern. Sie stehen mit heimischen Fischarten in Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum und fressen deren Eier und Jungtiere. Zum ersten Mal in der Schweiz wurden im Jahr 2011 im Industriehafen Kleinhüningen in Basel. Dort vermehrten sie sich rasant und breiteten sich seitdem immer weiter rheinaufwärts aus. Die Basler Forschungsgruppe beobachtet die Entwicklung der Ausgangspopulation im Hafen und erforscht die verschiedenen Ausbreitungsmechanismen mit dem Ziel, die Besiedlung der Restschweiz zu verhindern. Dabei kooperiert sie mit relevanten Akteuren aus dem Kreis der Gewässernutzer – so auch Bootsclubs wie dem Regioboot Verein.

Präsentation

Fangstatistik

Gestartet wurde mit der Präsentation der Fangzahlen aus dem jährlichen Hafenmonitoring in Kleinhüningen. Nachdem im letzten Jahr erstaunlich wenige Grundeln gefangen wurden, fanden sich im August 2019 wieder über 200 Grundeln in den Reusen. Von einem nachhaltigen Populationsrückgang kann also keine Rede sein! Dafür gab es keine allzu schlechten Neuigkeiten von der Ausbreitungsfront rheinaufwärts. Nachdem 2018 das als schwerwiegendes Hindernis geltende Kraftwerk Stein-Säckingen von Grundeln passiert worden war, gab es im Laufe des Jahres 2019 keine weitere dramatische Erweiterung der Ausbreitung.

Grundelsperren

Da die Fischtreppen der Wasserkraftwerke im Rhein kritische Engpässe bei der Ausbreitung der Schwarzmeergrundeln darstellen, beschäftigt sich ein Teil des Forschungsteams mit der Möglichkeit einer sogenannten Grundelsperre. Idealerweise würde eine solche Sperre die schwimmschwachen Grundeln vom Aufstieg abhalten, während alle heimischen Fischarten die Treppe nutzen könnten. Die Schwierigkeit liegt hierbei darin, dass heimische Arten wie die Groppe oder der Grüdling sehr ähnlich zur Grundel sind. Die Forschungsarbeit, die in Kooperation mit dem Institut für Wasser  und Gewässerentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie stattfindet, beschäftigt sich also mit den Unterschieden im Schwimmverhalten und dem Strömungwiderstand der drei Fischarten. Die Wissenschaftler testeten den Prototyp einer Grundelsperre, bestehend aus einer glatten Metallrampe, die die Strömungsgeschwindigkeit im Fischpass erhöht. Generell lässt sich sagen, dass es gewisse Unterschiede gibt. Der Gründling ist eindeutig der stärkste Schwimmer. Leider scheint es mit dieser Methode jedoch nicht möglich zu sein, Groppen passieren zu lassen, aber nicht Grundeln.

Für die Praxis bedeutet dies, dass sich die Verantwortlichen möglicherweise entscheiden müssen, ob die Priorität ist, alle Grundeln (und damit auch Groppen) aufzuhalten, oder der Groppe (und damit auch einigen Grundeln) den Aufstieg durch Fischtreppen zu ermöglichen. Später an diesem Abend wurde die Frage dieser Priorisierung auch dem Publikum gestellt, die sie mithilfe einer Online-App anonym beantworten durften. Das anwesende Publikum schwankte mehrheitlich zwischen zwei der gegebenen Optionen: 16 Teilnehmer waren dafür, die Wanderung für Grundeln komplett zu stoppen (und dabei auch für Groppen), 14 waren dafür, die Wanderung für alle Arten zu ermöglichen.

Verbreitungsmöglichkeiten

Neben der aktiven Ausbreitung der Grundeln gibt es auch andere Möglichkeiten, wie sie sich verbreiten können. So können sie unbeabsichtigt durch Frachtschiffe oder Sportboote verschleppt werden. Grundellaich kann an Bootsrümpfen haften und so transportiert werden, oder Grundeln und ihre Larven können in Wasserüberständen verschleppt werden.  Fotos und Videos von Grundeln an Bootsrümpfen belegen, dass die bodenlebenden Fische durchaus auch Bootsrümpfe besuchen. Zur Möglichkeit von Grundeln in Wasserüberständen fand 2019 ein sogenanntes Citizen Science Projekt statt – also ein Forschungsprojekt mit Beteiligung von Freiwilligen aus dem ausser-universitären Bereich. Zur grossen Freude der Wissenschaftler beteiligten sich viele regionale Bootsvereine und Bootsbesitzer und halfen mit, Wasserproben aus Motoren zu sammeln. In diesen Proben wurden zwar bisher keine Grundellarven gefunden, allerdings traten andere invasive Arten auf (z.B: die schädliche Wandermuschel).

Der letzte untersuchte Mechanismus der Grundelverbreitung wurde von Philipp Hirsch bearbeitet: Angler und Aquarianer, die Grundeln fangen und an anderen Orten wieder aussetzen. So gibt es trotz politischem Verbot in Internetforen Angebote, Grundeln für wenig Geld zu kaufen. Mit einer Umfrage fand der Forscher heraus, dass ca. 20% der Befragten sowohl Angler, als auch Aquarianer sind und mehr als 60% schon einmal lebende Fische weitergegeben haben. Obwohl viele dieser Fische sicherlich heimisch waren und auf legale Weise gehandhabt wurden, zeigt diese Umfrage, wie hoch das Potential für die Verschleppung von invasiven Arten durch unwissende oder unachtsame Akteure sein kann.

Diskussion

Am Ende der Präsentation folgte eine Diskussion mit den Anwesenden, bei der interessante Fragen und Anekdoten aufkamen, die teils im Plenum beantwortet werden konnten, teils mit in den informellen Teil des Abends mitgenommen wurden. So gab es beim Apéro in gemütlicher Atmosphäre genug zu erzählen, besprechen, planen und auszutauschen zwischen den Wissenschaftlern und den Teilnehmern des Abends. Die freundschaftlichen Verbindungen von Akteuren im Grundel-Kontext wurden damit auch fürs nächste Jahr wieder gefestigt.

Auch dieses Jahr waren wieder Mitglieder des Regioboot Vereins anwesend und verfolgten mit Interesse und Engagement den Fortschritt der Projekte. Besonderes Interesse entwickelte der Verein durch vergangene und andauernde Kollaborationen und mit der Forschungsgruppe, die sogar zum Vereinseintritt der Doktorandin Karen Bussmann geführt haben. Es stehen daher auch weiterhin interessante neue Projekte im Bootskontext an – bis zum nächsten Apéro 2020!

Bericht Uni Basel mgu Grundelteam Wissenschafts apéro 28.11.2018

Am 28.11.2018 berichte das mgu Grundelteam der Uni Basel unter Leitung von Prof. Patricia Holm über den Forschungsstand bei invasiven Schwarzmeergrundeln, deren Ausbreitung durch die Vernetzung der Grossschifffahrtswege begünstigt wurde und nun rheinaufwärts in die innerschweizer Gewässer verhindert werden soll.

Programm

Die explosionsartige Vermehrung der gefrässigen Grundeln hatte im Berichtszeitraum 2012-2018 im Jahr 2016 im Rheinhafen Basel Kleinhünigen ihren Peak. 2017 war der Grundelfang etwas und 2018 deutlich rückläufig. Die Zählstatistik über wenige Jahre ist für einen verlässlichen Trend zu kurz.

Grundelfang

Bei einigen Tieren wurden Hautläsionen festgestellt. Unklar ist ob dies Symptom einer populationsdezimierenden Krankheit ist.

Karen Bussman: Überleben Grundeleier

Grundeleier können 48h im Trockenen überleben. Boote müssen deshalb gereinigt und ausreichend lange vor Einwässerung in Fremdgewässer getrocknet werden. 9 Sportboote – darunter die „Syra“ – wurden in 2018 auf Grundeleier  untersucht. An keinem Boot wurde Eibesatz festgestellt, stattdessen andere Neozoen wie Flohkrebs und Zebramuschel. 2019 sollen weitere Boote untersucht werden. Die Erkenntnisse sind in einem überarbeiteten Merkblatt für Bootsbesitzer eingeflossen.

Im Strömungskanal wurde festgestellt, dass Grundeln, die keine Fischblase haben, schlechte bodennahe Schwimmer sind. Fliessgeschwindigkeit und spezifische mechanische Barrieren könnten eine selektive Hürde bilden. Die Anpassungsfähigkeit an schwierige Bedingungen darf nicht unterschätzt werden. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG) des Karlsruhe Institut of Technology (KIT) werden im Labor in einer nachgebauten Fischtreppe grundelspezifische Sperren erprobt. 2019 soll die Sperre in einem Feldversuch in bereits grundelbesiedelten Gewässerabschnitten getestet werden.

Philipp Hirsch: Grundelsperre

Die nötige Durchgängigkeit für diadrome Fische wie Aal und Lachs auf ihrer Wanderung zur Vollendung ihres Lebenszyklus ist ein noch ungelöster Zielkonflikt. Die im Gewässerschutzgesetz verankerte Fischgängigkeit hat höheren Stellenwert.

Einerseits wurde mit DNA-basierten Tests der Mageninhalte nachgewiesen, dass Grundeln Laich und Larven einheimischer Fische wie Nasen und Barben fressen, andererseits ist bekannt, dass die weitgehend parasitenfreien Grundeln für Kormorane, Zander und Hecht leichte Beute sind und deren Population je nach Beuteangebot ebenfalls stark zunehmen kann.

Institutionen, Verbände und Behörden haben eine Grundelstrategie und operative Massnahmen mit dem Ziel eines Ausbreitungsstops entwickelt.

Die 64 Teilnehmer – darunter 5 Regioböötler – konnten ihre persönliche Lageeinschätzung zum Schluss der Vorträge dem Forschungsteam auf einem anonymen Feedback-Kärtchen mitteilen und beim Apéro riche weiterdiskutieren.